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PraxisBeispiele

Möglichkeiten zur Bestimmung 

der vertikalen Dimension
 


In der wissenschaftlichen Mitteilung der DG pro von 2010 wird der vertikalen Kieferrelation eine hohe Bedeutung zugesprochen.


„Die Festlegung einer adäquaten Kieferrelation hat eine grundlegende Bedeutung, weil bei einer fehlerhaften vertikalen Relation funktionelle und ästhetische Probleme zu erwarten sind.“  


Aus diesem Grund sollen in diesem Beitrag verschiedene Möglichkeiten der Bestimmung der vertikalen Dimension aufgezeigt werden. Dieser Beitrag soll eine Übersicht zu den verschiedenen Konzepten aufzeigen, erhebt jedoch nicht den Anspruch der absoluten Vollständigkeit.

Das menschliche Kausystem ist ein hochkomplexes, dreidimensionales System. 

 

Durch die drei Dimensionen wird schnell klar: für eine physiologische Wiederherstellung braucht es horizontale, transversale und vertikale Parameter.  Zudem braucht es Bezugsebenen, nach denen die physiologische Okklusionsebene ausgerichtet werden kann. Nur wenn all diese Parameter eindeutig bestimmt werden, ist eine sinnvolle Bestimmung der Vertikaldimension möglich.


Schauen wir zuerst, welche Ebenen wichtig sind. 

 

Als sagittale Bezugsebene für die physiologische Okklusionsebene dient die Campersche Ebene. Diese verläuft vom vorderen Nasendorn (Spina nasalis) zum unteren äußeren Gehörgang (Porus acusticus inferior). Häufig wird auch der obere äußere Gehörgang angegeben, doch nach der Definition von Peter Camper ist es eindeutig der untere Rand. „Bei allen diesen Zeichnungen habe ich eine große Genauigkeit und Nettigkeit angewendet. Ich zog nämlich eine Horizontallinie längs dem unteren Theile der Nase und dem Gehörgang.“ Peter Camper Die genaue Definition ist wichtig, denn die Campersche Ebene ist in der sagittalen Betrachtung die Bezugsebene für unsere physiologische Okklusionsebene. 

In der transversalen Betrachtung ist die Bipupillarlinie von Bedeutung. Damit kommt der exakten Erfassung dieser beiden Ebenen eine hohe Bedeutung zu. Wenn also die Campersche Ebene und die Bipupillarlinie am Patienten erfasst werden können, hat man automatisch die physiologische Okklusionsebene definiert. Mit dem therafaceline® Gesichtsbogen können diese beiden Ebenen in einer Anwendung sicher und nachvollziehbar am Patienten erfasst und in einen Artikulator übertragen werden. Damit hat der Zahntechniker endlich einen wirklichen anatomischen Ebenenbezug in seinem Artikulator.

Neben den Ebenen ist auch noch die physiologische Position beider Kondylen elementar. Hier wird es nun spannend, denn die physiologische Kondylenposition ist natürlich auch wieder von der vertikalen Dimension abhängig. Klar ist, nur wenn beide Kondylen in einer physiologischen Position stehen, steht damit auch der Unterkiefer in seiner physiologischen Position. Hier wird eins ganz deutlich, wenn das Kausystem dreidimensional ist, braucht es auch dreidimensionale Systeme für die Bisserfassung. Das Centric Guide® 3D System kann alle Bewegungen des Unterkiefers dreidimensional erfassen.


Erstaunlich ist, dass in den S2k Leitlinien zur klinischen Funktionsanalyse bis zum Jahr 2020 keinerlei Informationen zur Bestimmung der vertikalen Dimension zu finden waren. Erst in der aktuellen Fassung sind nun verschiedene Verfahren beschrieben. In den S2k Leitlinien wird die Bestimmung der „Ruhelage“ als geeignetes Mittel vorgestellt.

Die Autoren der S2k Leitlinie kommen zu der folgenden Erkenntnis: „Als Grundproblem bleibt summa summarum, dass die Ruhelage sehr großen, biologisch bedingten Einflüssen unterliegt, sie daher nur als ein Parameter unter anderen zur Beurteilung herangezogen werden darf und immer wieder kritisch hinterfragt werden muss.“ In den S2k Leitlinien werden ab Seite 28 noch weitere Verfahren vorgestellt. Doch keines dieser Verfahren lässt eine wirkliche, messtechnische Erfassung zu.

 

Damit wird deutlich, wie anspruchsvoll die Bestimmung der vertikalen Dimension ist. Vielleicht ist das auch der Grund, warum es dann doch der Zahntechniker richten soll, wenn es um die Bestimmung der Bisshöhe geht. Zudem stellt sich die Frage ob es vielleicht noch andere Verfahren für die Bestimmung der vertikalen Dimension gibt?


Shimbashi Dimension

 

Ein weiteres Verfahren ist die Shimbashi Dimension. Dr. Henry “Hank” Shimbashi aus Alberta fand durch Untersuchungen an über 500 Patienten heraus, dass der Abstand zwischen dem oberen Rand der ersten oberen Scheidezähne und dem unteren Rand der ersten unteren Schneidezähne ca. 19 mm beträgt. Eine Abweichung von 1 mm ist dabei möglich. Zudem hat er im unbezahnten Kausystem den Abstand von Umschlagfalte zu Umschlagfalte auf 38 mm definiert. Dabei unterteilt er den Abstand exakt mittig, das bedeutet, 19 mm von der oberen Umschlagfalte und 19 mm von unteren Umschlagfalte befindet sich die Okklusionsebene. Wir nutzen die Shimbashi Dimension seit ca. 10 Jahren. Unsere Erfahrungen sind positiv. Leider funktioniert die Shimbashidimension nicht bei Deckbisspatienten.

Der Ästhetikindex

 

Ein weiteres Verfahren ist der Ästhetikindex. Bei diesem Verfahren wird der Abstand vom Subnasalpunkt zur Lippenlinie erfasst. Wichtig ist dabei, dass die Patienten den Mund nur locker schließen und die Lippen nur leicht aufeinanderliegen. Über den goldenen Schnitt kann der Abstand der Lippenlinie nun mit dem Faktor von 1,618 multipliziert werden. Dieser 1,6-fache Wert zeigt den Abstand von der Lippenlinie bis zum knöchernen Kinnpunkt. Die Erfassung erfolgt z.B. mit dem Golden Section Divider, dieser funktioniert wie eine doppelte Schere. Die schmale Seite zeigt den 1,0-fachen Wert und die breite Seite den 1,6-fachen Wert. Mit diesem Tool kann über den goldenen Schnitt die Bisshöhe einfach bestimmt werden. Leider hat dieses Tool keine Anzeige, bei der man die Millimeter ablesen kann. Zudem gibt es eine Einschränkung: der goldene Schnitt funktioniert nicht bei Deckbisssituationen. 

 

Das Verfahren des goldenen Schnittes wird auch bei dem therafaceline® Gesichtsbogen genutzt. Der Gesichtsbogen wird zur Camperschen Ebene am Patienten angelegt, dazu wird der Subnasalzeiger des Gesichtsbogens exakt auf den Subnasalpunkt ausgerichtet. Der Biteanalyser des Gesichtsbogens kann exakt auf die Lippenlinie ausgerichtet werden. Am unteren Ende des Biteanalysers ist eine Kinnstütze angebracht. In dem Biteanalyser befindet sich ein Übersetzungsverhältnis und eine Skala nach dem goldenen Schnitt. Damit kann die vertikale Dimension am Patienten nachweislich mit einer Reproduzierbarkeit von einem Millimeter bestimmt werden. Zudem kann mit dem therafaceline® Gesichtsbogensystem auch bei Deckbisspatienten die vertikale Dimension bestimmt werden. Wie das genau funktioniert, erfahren Sie in unseren Beginner Workshops für das pro bite concept.
 

Die kinesiologische Bestimmung der vertikalen Dimension

 

Ein weiteres Verfahren ist die kinesiologische Bestimmung der vertikalen Dimension. Hier werden ausgehend von der bisherigen Vertikaldimension Bissjigs im Artikulator gefertigt. Bei der Herstellung wird der Stützstift jeweils um einen Millimeter angehoben. Die Bissjigs können im Artikulator auch auf die Shimbashidimension oder auf den Ästhetikindex überprüft werden. Mit diesen gefertigten Bissjigs kann die Bisshöhe in 1mm Schritten im Mund getestet werden. Durch die kinesiologische Austestung der Muskelkraft kann die physiologische Bisshöhe bestimmt werden. Dieses Verfahren funktioniert nach unserer Erfahrung sehr gut. Vorrausetzung ist jedoch die zusätzliche Ausbildung und Erfahrung im Bereich der Kinesiologie.

Das neue Screening Konzept screen it®

Zum Abschluss möchte ich noch eine weitere Möglichkeit aufzeigen. Das neue Screening Konzept screen it ® von theratecc besteht aus einer KI gestützten Software und zwei Tools, die für die Erfassung von Ebenen und der vertikalen Dimension zur Anwendung kommen. Der Ratio check ist ein doppelter Messschieber. Dieser zeigt auf der einen Seite den 1,0-fachen Wert und auf der anderen Seite den 1,6-fachen Wert des goldenen Schnittes an. Von Vorteil sind die beiden Messskalen, mit denen die realen Werte in mm direkt am Patienten oder auch am Modell abgegriffen werden können. Mit dem Ratio Check kann der Abstand von Spina nasalis zur Lippenlinie mit der 1,0-fachen Seite bestimmt werden, die 1,6-fache Seite zeigt dann automatisch den idealen Abstand von der Lippenlinie zum knöchernen Kinnpunkt an. Damit kann die physiologische Vertikale am Patienten nachvollziehbar visualisiert, bestimmt und dokumentiert werden. 

Eine weitere Indikation des Ratio Check ist die Erfassung der idealen Länge der oberen Frontzähne. Auch hier hilft wieder das Verhältnis des goldenen Schnittes, denn zwischen der Breite der ersten beiden oberen Frontzähne zur Länge der ersten beiden oberen Frontzähne besteht wieder das Verhältnis 1 : 1,618. Mit der 1,6-fachen Seite des Ratio Checks wird die Zahnbreite der ersten beiden oberen Frontzähne erfasst, die 1,0-fache Seite zeigt dann automatisch die ideale Länge der ersten beiden oberen Frontzähne.

Das pro bite concept von theratecc

Mit dem pro bite concept von theratecc gibt es also gleich zwei Systeme für die Erfassung der vertikalen Dimension. Diese können auch sehr gut kombiniert werden. Der zum therafaceline® Gesichtsbogensystem dazugehörige Ebenentisch visualisiert die optimale Okklusionsebene bestehend aus Bipupillarlinie und Camper‘scher Ebene im Artikulator. Durch die Bestimmung des Abstandes der oberen Umschlagfalte zur Okklusionsebene kann die Okklusionsebene exakt in der vertikalen Dimension nach Shimbashi bei 19 mm ausgerichtet werden. Alle mit dem theratecc Bisskonzept erfassten Parameter können mit nur einem Scanvorgang in den digitalen Workflow übertragen werden. Damit haben wir Zahntechniker endlich eindeutige Parameter für die Fertigung von physiologischen Zahnversorgungen. 

Fazit

 

Die Erfassung oder besser die Bestimmung einer physiologischen Vertikaldimension ist in der Zahnheilkunde elementar. Jede Aufbissschiene braucht eine vertikale Dimension, das gleiche gilt für präprothetische Planungen wie Wax ups und Mockups und natürlich für Zahnversorgungen. Dies wird vor allem bei Abrasionsgebissen, in der Kombinations – und Totalprothetik deutlich. 


Allen die gern mehr über die Anwendung von screen it® erfahren möchten, können wir unser nächstes Webinar bei ZWP online am 14.05.25 ab 13:30 Uhr empfehlen. Wenn Sie gern mehr zum pro bite concept von theratecc erfahren möchten, empfehle ich gern unsere Workshops. In diesen Workshops können Sie die hier vorgestellten Konzepte alle live anwenden und erhalten natürlich einen objektiven Überblick zu den vielfältigen Indikationsmöglichkeiten. Alle Termine finden Sie unter www.theratecc-campus.de.

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